| Heute wird es endlich Zeit das Höllengebirge, insbesondere den Brunnkogel, mit seinem umgeknickten Gipfelkreuz, zu besuchen. Ich bin schon lange ein Höllengbirgs-Fan, ist doch das Hochleckenhaus laut meinen Aufzeichnungen die am häufigsten von mir besuchte Alpenvereinshütte. Außerdem habe ich etliche Abende im Februar damit verbracht den Wikipediaartikel zum /Höllengebirge komplett neu zu schreiben. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn nach der Lektüre von dutzenden Abhandlungen zum Gebiet, der Gusto auf eine Begutachtung vor Ort schon ins Unermessliche steigt.
Bergfexing Dad und ich starten um 0805 beim Parkplatz am Taferlklaussee, wo nur zwei weitere Autos parken. Es verspricht eine einsame Tour zu werden. Der Nebel ist äußerst dicht und hartnäckig. Laut Wetterbericht soll dieser bis auf 1400 Meter über der Adria reichen. Die Temperatur ist mit -1 °C gerade recht. Wir montieren gleich die Gamaschen und schultern die Schneeschuhe. Im Gepäck sind auch die Steigeisen, da es im Langen Graben oft recht eisig sein kann. Schon zu Beginn erleichtert uns eine perfekt ausgetretene und harte Spur den Aufstieg. Da es hier an der Nordseite immer recht kalt und neblig war, konnte sich der Pulverschnee gut halten. Kurz vor der Skipiste sehen wir linkerhand noch einen schön vereisten Wasserfall. Wir beschließen diesen aber erst im Abstieg zu besuchen. Den Wald lassen wir rasch hinter uns, und wo im Sommer die Schotterriese den Langen Graben hinabführt, beginnen wir mit dem Anstieg in der Direttissima. Die bereits vorhandenen Stufen sind in angenehmen Abstand und lassen uns kräfteschonend vorwärts kommen. Und dieser verfluchte Nebel will sich einfach nicht lichten. Weder die Wände die vom Aurachkarkogel herunterziehen, geschweige das Grenzeck sind auszumachen. Aber der Wetterbericht wird schon Recht haben. Außerdem war in der Früh die Katrinalm, laut Webcam, schon über dem Nebel. Eigentlich wollten wir durch den Graben gleich direkt zum Plateau zum Aurachkarkogel aufsteigen. Aber weil wir eh nix sehen und auch keine Spur vorhanden ist, nehmen wir den Weg 826 zum Hochleckenhaus. Und plötzlich, als das Gelände schön Flach wird, auf fast genau 1400 Meter, beginnt dunkelblaues Licht alles in eine enterische Kulisse zu hüllen. Ich sag zu Dad: "Gleich reißts auf. Ich seh scho blauen Himmel!". Er antwortet nur: "I siag nix. Du bist woi gegan Bam grennt!". Noch ein paar Schritte weiter und endlich fällt der Schleier. Die Nebelschwaden lösen sich in kaum wahrnehmbarer Bewegung auf und geben den Blick auf die Wände des Grenzeck und zum Neukirchnerturm frei. Und unter uns das scheinbar endlose Nebelmeer. Bombastisch. Doch um die ersten Sonnenstrahlen zu erhaschen müssen wir noch 100 Hm bis zum Plateau zurücklegen. Die Neugier, wie heute wohl das tiefverschneite Plateau aussieht, lässt mich das Gewicht auf den Schultern vergessen und flott erreichen wir ein gutes Aussichtsplatzerl. Bist du deppat! Ich hab ja schon fast vergessen wie schön es am Plateau im Winter ist. Meterhoher, unverspurter Schnee bedeckt die riesigen Latschenfelder verändert die Landschaft vollständig. Überall sanfte Kuppen, kleine Wächten gesäumt von unzähligen Kogeln. Irgendwie sieht alles "weich" aus.
Beim Hochleckenhaus legen wir nach 2h Aufstieg unsere erste Pause ein. Die Fernsicht ist bei kaum 35% Luftfeuchte ausgezeichnet. Insbesondere zwischen Schafberg und Untersberg ragen einige tiroler Gipfel hervor. Die Kulisse vom Watzmann ostwärts reicht bis zum Dreigestirn Torstein, Mitterspitz und Hoher Dachstein, wobei nur die Gipfelregion sichtbar ist. Gleich ein Panorama knipsen ;) Am coolsten ist jedoch das endlose Nebelmeer, das an die Flanken des Höllengebirges brandet. Der Nebel zieht auch über den Bleggagraben auf das Plateau herauf, wo es sich schließlich auflöst. Sowas hab ich hier überhaupt noch nie gesehen. Die hiesigen Fichten haben auch nicht leicht. Unter schwerer Schneelast krümmen sie sich zu bizarren Gebilden. Dad und ich verputzen unsere Jause (mit frischem Bärlauch) und legen eine 30 minütige Rast ein, bevor wir die Schneeschuhe montieren und entlang der Wintermarkierung losmarschieren. Am Plateau haben sich die Verhältnisse nun geändert. Eisiger Wind bläst uns ins Gesicht. Der Schnee wechselt zwischen üblem Bruchharsch, tragfähigem Harschdeckel und lockerem Triebschnee. Danke der Schneeschuhe kommen wir jedoch optimal voran. Wir beschließen noch das nahe Jagerköpfl mitzunehmen. Für die Bergfexings ist dies der erste Besuch dieses Gipfels. Hier eröffnet sich erstmal der Fernblick über das östliche Plateau, dominiert vom Grünalmkogel. Im Hintergrund grüßt uns König Dachstein. Den Abstieg bewältigen wir über die steile Ostflanke. Eine kurze Traverse, die mit Schneeschuhen immer heikel sind, meistern wir bravourös und gelangen wieder zur ausgetretenen Spur zum Brunnkogel. Am sanften Grat zum Gipfel hat sich eine kleine Firnschneide gebildet und vermittelt fast schon alpinen Charakter. Irgendwie bin ich schon aufgeregt wie das kaputte Kreuz aussieht. Im Internet hab ich ja noch nix gefunden. Und plötzlich steht es da: Komplett verdreht und verbogen. 40 Jahre hat es Wind und Wetter getrotzt. Aber es soll bereits im Mai/Juni wieder aufgebaut werden. Dieses Zeitzeugnis wird selbstverständlich ausgiebig dokumentiert. Vom Jagerköpfl bis zum Brunnkogel benötigen wir rund 30min. Es ist nun Punkt 1200 Uhr. Die Aussicht über das Nebelmeer ist auch wieder wunderschön. Traunstein und Kasberg ragen einsam aus den Wattebäuschen. Die Nordabstürze der Stirnseite der Höllengbirgsdecke, deren Basis im Nebel verschwindet, sehen eher wie eine Steilküste aus. Ein lebhafter Wind macht es im Gipfelbereich etwas ungemütlich und Dad und ich wandern retour zum Mathiaskogel. Dieses Platzerl ist dann fast schon ein Sechser im Lotto. Windstill und ein trockenes Bankerl. Nicht nur die Fernsicht vermag zu begeistern. Auch die Tiefblicke sind ungewöhnlich. Der Nebel schlängelt sich doch tatsächlich durch den Pfaffengraben, füllt eine Senke, löst sich wieder auf und wabbert erneut ins Plateau. Fast schon hypnotisch! Wir schnallen die Schneeschuhe ab und packen unsere Bierreserven aus. Ich glaub besser geht's eh nicht. Auch wenn ich's schon oft erwähnt habe: Zum niedaknian! (by Martin).
Um 1300 wird es leider Zeit aufzubrechen und mit dem Abstieg zu beginnen. Hierzu folgen wir der Spur bis zum Fuß des Aurachkarkogels und steigen direkt in den Langen Graben ab. Im oberen Bereich ist der Schnee noch flockig und mit patentierter Schneeschuh-Rücklagen-Rutsch-Technik vernichten wir rasch Höhenmeter. Anstrengend ist's es trotzdem. Der Schweiß tropft mir von der Stirn und ich merke, dass meine Kraftreserven erschöpft sind. Bei der Weggabelung befestigen wir die Schneeschuhe wieder am Rucksack und stiefen mit montierten Gamschen weiter. Bergfexing Dad legt mit patentiertem Schweinsgallop ein enormes Tempo vor. Ich bin schon etwas hinig und wähle eine gut ausgerutschte Arschbobbahn für den Abstieg. Leider hab ich kein Plastiksackerl mit, aber mit guter Fersentechnik klappt es auch. Der Rest ist dann nur mehr lockeres Austraben. Um 1440 sind wir dann wieder bei der Taferlklause.
Fazit: Geilo^3! Ich hab schon eine Woche lang auf diese Tour hingefiebert und es war noch viel, viel besser als erwartet. Ein unbändiger Biss konnte die mangelnde Kondition fast vollständig ersetzen und vielleicht geht sich im März noch einen Höllengebirgsdurchquerung aus. Einziger Wehrmutstropfen: Ich hätte doch die schwere Spiegelreflex mitnehmen und noch viel, viel mehr Fotos knipsen sollen. Tja, beim nächsten Mal ;)
PS: Ja, ja Lampi ich werde zwecks Gewichtsreduktion eh auf Dosenbier umsteigen
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