| Als ich um 0645 losgehe, schlafen noch alle im Linzer Tauplitzhaus. Auch die Hüttenwirte ;) Das Frühstück, bestehend aus einem Müsliriegel, wird einfach unterwegs verputzt. Es ist wieder herrlich sonnig, doch der Wind hat noch etwas zugelegt. Einsam ist es um diese Tageszeit im Osten der Tauplitzalm. Weit und breit sehe ich niemanden. Rasch bin ich wieder bei den Steirerseehütten und nehme nun den Weg hinauf zum Großen Tragl. Die Bärwurz (Meum athamanticum), ein aromatisch duftender, weißblühender Doldenblütler mit haarfein zerschlitzten Blättern, blüht häufig am Wegesrand. Auch massig an Trollblumen (Trollius europaeus) sind zu bewundern. Zusammen mit den Tiefblicken zum Steierersee und dem Mitterndorfer Becken, mit dem Grimming im Hintergrund, eine wunderschöne Szenerie. Ich steige rasch höher und lassen bald die letzten Lärchen hinter mir. Vor mir liegt der markante Felsriegel des Sturzhahns, dessen Spitze aus massigem Dachstein-Riffkalk besteht. Nach Osten ist deutlich der Übergang in gebankten Dachsteinkalk des Löckenkogels bzw. Der Tragln zu sehen. Und genau diese Kalkbänke möchte ich heute als Aufstieg nutzen.
Etwa 1h ab Tauplitzhaus erreiche ich die Südostflanke des Löckenkogels, kurz bevor der Weg zwischen zwei markante Dolinen verläuft. Steinmänner zeigen mir die Richtung an. Auf den Schichtflächen finden sich viele fossile /Megalodonten. Die Flanke ist ein geniales natürliches Amphitheater, wobei die von Wasserrillen zerfressenen Kalkbänke die Ränge bilden. Das Gebiet hat den treffenden Namen Himmelreich. Etwa mittig verläuft hier die Kletterroute. Laut Rabeder ist der linke Rand für den Aufstieg zu wählen. Das klappt anfangs auch recht gut, nur bei der grasigen Terrasse find ich keine Stelle mit Schwierigkeit II. Aber auf der anderen Seite zieht eine Rinne herab. Bei der Querung wird die Terrasse oberhalb des Kessels ungemütlich schmal und die Griffe sind weit unten. Also wird jeder Griff besonders genau geprüft und das kurze Stück ist schnell überwunden. Besser wäre es jedoch gleich von ganz unten den rechten Rand zu nehmen. Über die Rinne gelange ich dann auf ein deutlich breiteres Band. Hier befinden sich einige alte geschlagenen Haken und ein uraltes, zerschlissenes Seil. Das Band bringt mich wieder auf die linke Seite der Flanke und die restlichen Meter in den weiten Sattel zwischen Löckenkogel und Kleinem Tragl sind bequemes Gehgelände. Hier oben weht der Wind nun deutlich stärker. Haube und Fleece müssen ausgepackt werden.
Ein außergewöhnlich schöner alpiner Rasen zieht sich zu den Tragln hinauf. Die alpine Sippe des Echten Wundklees (Anthyllis vulneraria) dominiert aktuell den Aspekt. Dazu gesellen sich Alpen-Glockenblume (Campanula alpina), Kopfiges Läusekraut (Pedicularis rostrato-capitata), Silberwurz (Dryas octopetala) und Alpen-Nelke (Dianthus alpina). Auffällig auch viele Zwerg-Alpenscharten (Saussurea pygmaea), die aber erst in ein, zwei Wochen voll aufblühen werden. Aber die Hauptattraktion ist sicherlich die Blüte der Kohlröschen (Nigritella). So einen großen Bestand dieser kleinen, alpinen Orchidee habe ich überhaupt noch nie gesehen. Viele blühen erst auf, aber manche haben schon einen längeren, walzigen Blütenstand. Das könnte das Zweifarbige Kohlröschen (Nigritella bicolor) sein. Auch rosa Arten gibt es, was ich als Widders Köhlröschen (Nigritella widderi) in Erinnerung habe. Aber hier brauche ich die Hilfe von Experten, daher werden viele, viele Fotos gemacht. 50 Kohlröschen später wandere ich hinauf zum Gipfel des Kleinen Tragls. Der Wind hat nochmal an Stärke zugenommen und ich packe auch die Regenjacke aus. Doch der trockene, kalte Wind sorgt auch für eine atemberaubende Fernsicht. So mache ich es mir im Windschatten des Gipfel-Steinmannes bequem und lege eine Jausenpause ein. Hier ergeben sich interessante Einblicke in die Nordabstürze von Lawinenstein und Traweng ins Öderntal. Am Großen Tragl treffe ich dann um 0930 ein und hier eröffnet sich dann der Ausblick auf das weite Plateau der Prielgruppe. Die Fernsicht reicht weit über das Tote Gebirge hinaus bis zum Schafberg und Traunstein. Die Gipfel von Hochweiß,Plankamira und Weiße Wand sind im Sommer nur mühsam zu erreichen. Das gleiche gilt für den Feuertalberg.
Mein weiterer Weg führt über den Traglhals zur Jagdhütte am Bartlrücken. Hier kann ich an der sonnigen Hüttenwand nun länger gemütlich rasten. Der Große Brieglersberg ist nun nicht mehr weit und einige Altschneefelder erleichtern ein rasches Vorankommen. Ich quere jedoch nur die Schneefelder, wo die Kalkschichtflächen eher waagrecht ein- und wieder auftauchen. Es gibt hier viele gefährliche Dolinen und so manche Randkluft scheint bodenlos zu sein. Sicherheitshalber bleibe ich meist auf festem Fels und ich genieße die karge Schönheit der östlichen Prielgruppe. Immer wieder finden sich sogenannte Rote Scherben in grauen Dachsteinkalk. Diese rot-ockergelb gestreiften Ausfüllungen von Paläo-Karsthohlräumen, stammen von verfrachteten /Lateritböden, wie sie heute noch in tropischen Karstgebieten entstehen. Über den Westrücken erreiche ich den Großen Brieglersberg in etwa 40 Minuten. Ungewohnt der Blick zum Großen Kraxenberg mit seinem markanten Felsenfenster. Vertrauter hingegen der Fernblick zum Almkogel und Hochmölbing.
Am Gipfel verweile ich jedoch nur kurz, erspähe ich doch schon wieder einen schönen, südseitigen alpinen Rasen. Auch hier blühen wieder unzählige Kohlröschen und ich genehmige mir eine kurze Pause um weitere Pläne zu schmieden. Ein Abstieg durch das Sigistal erscheint mir heute zu mühsam. Es ist inzwischen sehr warm und ich muss meine Wasservorräte wieder auffüllen. Daher werde ich auf eine Besteigung des Kleinen Brieglersberg verzichten und den Gamsspitz überschreiten um zum Salzsteigjoch zu gelangen. Rasch bin ich beim Portal der Brieglersberghöhle, von wo mich Steinmänner zielsicher zur Sigistalhöhe lotsen. Es ist nun 1230 und Hunger & Durst machen sich bemerkbar. Von hier könnte man sicherlich auch direkt zur Leistalm absteigen, aber ich entscheide mich für die sichere Variante über den Gamsspitz, die ich vom letzten Herbst schon kenne. Zum Ostgipfel sind ja kaum 100 Höhenmeter zu überwinden und das Wandern zwischen Latscheninseln und blühenden Wiesen macht Spaß. Ich entdecke noch mehr Kohlröschen und als Novum einen kleinen Bestand des Alpen-Süßklees (Hedysarum hedysaroides). Beim Tieflblick zur Interhüttenalm (eigentlich In Der Hütten Alm) fällt mir ein, dass ich den Wegabschnitt zwischen Grimmingböden und Leistalm auch noch nicht kenne. Wird gleich auch die TODO-Liste gesetzt. Der 300 Höhenmeter Abstieg zum Salzsteigjoch erfolgt über steile Rasenflanken und klappt erstaunlich gut, trotzdem bin ich froh um 1340 wieder am markierten Weg zu sein. Hier treffe ich zum ersten Mal wieder auf andere Wanderer.
Es wäre eigentlich noch genug Zeit um einen Abstecher zur Leistalm zu machen, aber dort ist Sonntag mittags sicherlich die Hölle los. Also tanke ich bei der Quelle noch mal den Camelbag auf und beginne mit dem rund zweistündigen Abstieg. Kurz nach der Poppenalm beschließe ich auf der Forststraße zu bleiben und das Summen im Wald beginnt wieder. Das Rätsel wird heute jedoch schnell aufgelöst. Überall stehen Nistkisten für Bienen. Es handelt sich hier um eine Belegestelle zur Reinzucht der heimischen /Kärtner Biene (Carnica). Um 1545 erreiche ich endlich die Baumschlagerreith. Ein eiskaltes Gösser habe mir jetzt wirklich verdient.
Fazit: Eine grandiose Tour im Toten Gebirge, die landschaftlich wirklich alle Facetten bietet. Und mit der Kraxelneinlage beim Löckenkogel, ist es auch technisch abwechslungsreich. Aber vor allem: Neue Wege sind immer kurzweilig. Und die Hauptblüte der alpinen Flora habe ich auch optimal erwischt. Das nächste Mal muss ich mir viel mehr Zeit lassen: Mehr rasten, fotografieren und staunen.
|