| Endlich: Der Bösenstein ruft. Das heißt: Adiós Kalkgebirge. Hallo Rottenmanner Tauern. Aus geologischer Sicht handelt es sich um Biotitschiefer, Granit und Gneisgranit. Damit einhergehen eine vollkommen andere Geländeform mit vielen Bächen und Seen. Und natürlich auch eine andere Pflanzenwelt. Aus sportlicher Sicht bietet der Dreisteckengrat ebenfalls eine willkommene Abwechslung.
Paps und ich starten um 0730 am Parkplatz bei der Edelrautehütte (Maut 1,40 € pro Bergfex). Die Feuchtigkeit der gestrigen Gewitterschauer als auch die Temperaturen von rund 20°C auf 1700 Meter sorgen eher für ein tropisches Klima. Der Weg führt uns zuerst hinunter zur Kotalm, wobei wir urige und dichte Farnbestände durchwandern. Wären da nicht Zirben, Fichten und Lärchen, würde mich ja fast wie im Lorbeerwald auf La Palma fühlen ;) Plötzlich erstarrt mein Vater und blickt in die Wipfel der Zirben. "Schau amoi wos do fiar Zäpfn oben san". Ich merk schon: Seine Gedanken drehen sich gerade nur um etliche Liter Zirbenschnaps. Vermutlich wäre nächste Woche generell eine gute Zeit sich legal ein paar Zapfen zu besorgen.
Bei der Kotalm, die am Grund von feuchten Wiesen dominiert wird, ergibt sich ein sehr schöner Blick hinauf zum Großen Bösenstein, der sich zusehends in Wolken hüllt. Kein Wunder bei dieser hohen Luftfeuchtigkeit und kaum Wind. Das Vieh ist bereits aufgetrieben und durch einen Zaun von der restlichen Bergwelt getrennt. Gekonnt schlüpfe ich unter dem Elektro-Breitband durch, nur Paps dürfte das Schild "Achtung Elektrozaun" übersehen haben und bekommt einen ordentlichen Stromstoß ab. Hier an der Südseite wachsen sehr viele Sträucher der /Rostblättrigen Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) die in voller Blüte stehen. Ein so dichtes Vorkommen haben wir selten gesehen. Der gesamte Hangabschnitt leuchtet nur mehr rot. Natürlich müssen etliche Bilder geknippst werden. In der Wiese finden sich noch viele "klassische" Bergblumen: Wie etwa /Berg-Nelkenwurz (Geum montanum), /Arnika (Arnica montana). Der Alpen-Brandlattich (Homogyne alpina) wird uns noch weiter bis in höhere Regionen begleiten. Der Weg schwenkt nun nach Norden um umgeht einen Rücken den die Seekarspitze entsendet. Hier queren wir ein kleines Schneefeld in dessen Umgebung noch die Österreichische /Alpen-Küchenschelle (Pulsatilla alpina subsp. alba) blüht, während tiefer gelegene Exemplare bereits fruchten. Schließlich wendet sich der Weg nach Westen und wir erreichen die wunderschöne Gamsgrube. Ein phantastisches Panorama zeigt sich hier. Die Wände des Bösensteins in dessen Rinnen sich noch Schneereste halten, frisches saftiges Grün und ein blauer Himmel über den einige Flauschi-Wolken ziehen. Die Flora hat sich ebenfalls gewandelt. In kleinen Gruben die erst kürzlich ausgeapert sind, so genannten /Schneetälchen, blühen viele kleine /Zwerg-Soldanellen (Soldanella pusilla). Generell sind die Bedingungen hier auf fast 2000 Meter etwas härter und die Pflanzen bleiben meist recht niedrig. Wie etwa die /Gämsheide (Loiseleuria procumbens) mit ihren kleinen rosa Blüten, die perfekt dem Windschliff Paroli bietet. Aber es gibt hier noch viele weitere Pflanzen zu entdecken, wie /Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis), /Alpen-Glockenblume (Campanula alpina), /Zwerg-Primel (Primula minima) und /Klebrige Primel (Primula glutinosa) um nur die auffälligsten zu nennen.
Der Weg führt wunderschön hinauf zum Gefrorenen See, der heute seinem Namen alle Ehre macht. Der See ist noch gut zu ¾ zugefroren. Und eiskalt ist es hier. Im hinteren Bereich ist der Altschnee auf dem Eissee rot gefärbt (/Blutschnee), was vermutlich auf ein Massenvorkommen von rotgefärbten Algen oder doch nur Wüstensand zurückzuführen ist. Leider nimmt die Bewölkung stark zu. Kein Sonnenlicht erhellt den See mehr. Schade. Das wäre ein recht schönes Foto geworden. Der Weg würde nun in eine Scharte zwischen Drei Stecken und Sonntagskar Spitze führen. Der viel Schnee im steilen Gelände als auch eine Wechte im oberen Bereich zwingt uns dazu die Stelle rechts zu umgehen. Die frisch ausgeaperte Wiese bietet mit einem recht lehmigen Untergrund ebenfalls keine Alternative. Am trockenen und griffigen Felsen absolvieren wir die erste Kraxlerei des Tages und erreichen flott die Scharte. Also die große hier unhandliche Nikon D80 verstauen und mit der alten Ixus 430 weiterknipsen. In der Scharte erhalten wir dann einen fantastischen Fernblick in die Niederen Tauern mit Grimming im Hintergrund. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Die Berge aus metamorphen Gestein mit ihrem sanften Gelände sind bis in die höchsten Regionen mit einem grünen Überzug bedeckt. Die Kalkberge zeigen sich vegetationslos, hellgrau und stark zerklüftet. Leider ist hinter dem Grimming nichts mehr auszumachen.
Auf dem hier nach westen abfallenden Geröllhang wächst massig an /Silberwurz (Dryas octopetala) mit /Krainer Grau-Greiskraut (Senecio incanus subsp. carniolicus) kurz vor dem Aufblühen. Im felsigen Bereich des Grates der sich nach süden hinauf zur Sonntagskar Spitze hinaufzieht wachsen einige wenige Blätterkugeln der /Steirischen Hauswurz (Sempervivum montanum subsp. stiriacum), Steirische Gamswurz (Doronicum clusii subsp. villosum) die aber hier recht niedrig bleiben und natürlich auch /Kieselliebendes Stängelloses Leimkraut (Silene acaulis subsp. exscapa). Besonders mag ich ja die kleinen "Polster" der /Kugelblumenblättrige Teufelskralle (Phyteuma globulariifolium) aus denen viele kleine, blaue Krallen in den Himmel greifen. Dazwischen nistet sich fast immer die /Totengebeinsflechte (Thamnolia vermicularis) ein. Sämtliche Arten begleiten uns im gesamten Gratverlauf.
In ständigem auf und ab kraxeln wir den wunderschönen Grat entlang. Einige Stellen sind zwar etwas luftig, andere etwas schottrig, sind jedoch die Ausnahmen. Insgesamt empfinde ich den Weg als technisch unschwierig und genieße die "Herumtunerei" zwischen Felsen. Auch Paps macht es sichtlich Spaß. Tolle Fernblicke nach Westen und Tiefblicke nach Osten ergeben sich. Hinter uns die Gipfel von Dreistecken und Hochhaide. Vor uns das Ziel: Der Gipfel des Großen Bösensteins. Inzwischen scheint zwar überhaupt keine Sonne mehr, dafür ist nun der Gipfel frei von Wolken. Und Windstille herrscht auch. Durch die Bewölkung finde ich den Ausblick auf die Tauern viel spannender als bei einem faden, wolkenlosem Himmel ;) Gemütlich kraxeln wir weiter und treffen auf die ersten beiden Wanderer des Tages, die den Weg in umgekehrter Richtung gehen. Hmm, die Scharte hinunter zum Gefrorenen See im Abstieg stelle ich mir nicht so optimal vor. Nun sind wir fast schon 4 Stunden unterwegs. Zeit für eine erste "längere" Pause um einen Müsliriegel zu verputzen. Hierbei entdecke ich dann etliche Pflanzen des /Echten Speiks (Valeriana celtica). Eine einzelne /Späte Faltenlilie (Lloydia serotina) wächst hier auch. Aber wie immer verweigert der Autofocus der Ixus bei dieser Blütenfarbe. Mit Gräsern sollte ich mich auch mal beschäftigen. Ich kann hier nur das Zweizeiliges Kopfgras (Oreochloa disticha) identifizieren. Die letzten Höhenmeter verlaufen felsiger und etwas feuchter. Die Vegetation hat sich an den schattigen Nordstellen sichtlich gelichtet. Nur die Gneisfelsen sind dicht mit der allgegenwärtigen /Landkartenflechte (Rhizocarpon geographicum) und anderen Flechtenarten überzogen. Sicher kann ich hierbei nur die /Blutaugenflechte (Ophioparma ventosa) bestimmen, die mit ihren kleinen roten Fruchtkörpern unverwechselbar ist.
Der Schlussanstieg erfolgt dann rampenartig von westlicher Seite und um 1150 erreichen wir das Gipfelkreuz des Großen Bösensteins. Die Aussicht ist aufgrund der Bewölkung sehr eingeschränkt. Die Gesäuseberge zeigen sich nur schemenhaft. Selbst der nahe Admonter Reichenstein verbirgt sich hinter Wolken. Unter uns, im Bereich der Grünen Lacke, liegt auch noch etwas Schnee. Aber es ist warm und windstill. Rund um das Gipfelkreuz wächst viel /Moschus-Steinbrech (Saxifraga moschata) und /Einblüten-Hornkraut (Cerastium uniflorum) Proviant-Paps hat wieder einmal für die Verpflegung gesorgt. Zur Jause lassen wir uns Salatgurke, Schweiners (Diesmal keine halbe Sau), eingelegte Chilis und Brot schmecken. Dazu empfiehlt Bergfexing Harry Bier und als Digestif Zirbenschnaps. Um 1230 brechen wir dann wieder auf. Leider gibt es kein "gscheides" Gipfelfoto. Wir haben zwar einen Touristen aus Deutschland darum gebeten, nur der war offensichtlich mit der Nikon überfordert. "Watt dat hat noch nen Sucher?" *g* Kurz nach dem Kleinen Bösenstein zeigt sich noch einmal die Sonne. Was für ein Zufall: Hier wächst auch noch viel /Zweiblüten-Läusekraut (Pedicularis portenschlagii), ein österreichischer Endemit. Gleich ein Foto machen. Doch so rasch wie sich die Sonne zeigte verschwindet sie auch wieder. Zwischen Hochtor und Lugauer regnet es bereits und das Donnergrollen verheißt nichts Gutes. Mit einem "Oohzahn" mahne ich Paps zur Eile, der dies so wörtlich nimmt, dass ich gar nicht mehr hinterher komme. Immer bedrohlicher wird die Wolkenstimmung. Scheinbar hat sich auch ein zweites Gewitter gebildet. Kurz nach dem Großen Hengst, dessen Gipfelkreuz wir heute keinen Besuch abstatten, beginnen die ersten Tropfen zu fallen. Schnell verpacke ich die Kamera im Rucksack und montiere den Regenschutz. Mit rasantem Schritt durchqueren wir das /Grün-Erlen-Gebüsch (Alnus viridis). Kurz kann ich noch einen Blick auf einen /Tüpfel-Enzian (Gentiana punctata) erhaschen. Im Bereich des Jausenplatzerls ist die Stimmung bereits eher unheimlich als bedrohlich. Gücklicherweise erreichen wir nach 1h30min ab Gipfel die nahe Edelrautehütte. Nur ein paar Regentropfen abbekommen. Kaum eine Minute in der Gaststube beginnt es auch wie aus Kübeln zu schütten. Schwein gehabt!
Fazit: Auch wenn das Wetter sich eher mittelmäßig einstellte, war es trotzdem eine großartige und sehr kurzweilige Bösensteinrunde. Der Dreisteckengrat ist wirklich fantastisch. Ebenso die Pflanzenwelt. Wie hab ich's bei meinem /letzten Besuch 2005 formuliert: Dieses Platzerl ist ein nationaler Schatz.
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