| Schon am Kleinen Priel hat Berni eine Tour rund um das, mir gänzlich unbekannte, /Riedingtal in den Radstädter Tauern geplant. Leider müssen wir aufgrund der sehr kurzen "Schönwetterperiode" von einem Tag etliche Abstriche machen, wodurch die Tour auf einen Zwei-Tages-Spazierer schrumpft. Zuvor wird wie üblich auch die geologische Karte begutachtet und lässt, auch aus botanischer Sicht, auf eine Traumtour hoffen. Verschiedenste Gesteinschichten wechseln sich auf engem Gebiet häufig ab. Aber vor allem: Kalk trifft auf Silikat, was eine sehr artenreiche Flora verspricht.
Der Wetterbericht meldet für Dienstag besseres Wetter, das sich von Westen über ganz Österreich ausdehnt. Also starten wir bereits 1000 bei der Schlieralm, wo uns auch der Tälerbus pünktlich retour zur Königalm kutschiert. Der Bus fährt zu jeder vollen Stunde und kostet 1 € pro Bergfex, wobei Tickets bereits in der recht kräftigen Maut von 8 € enthalten sind. Das Wetter lässt sich eher mit düster beschreiben, aber es regnet nicht. Die Wolken hängen sehr tief. Gerade der Gipfel der Riedingspitze ist noch frei. Berni kennt dieses Gebiet ja seit seiner Kindheit und beschreibt mir die umliegende Berglandschaft. Tja nur sehen kann ich leider nix. Mosermandl oder Weißeck sind nicht auszumachen. Wir hoffen jedoch auf die angekündigte Wetterbesserung und wandern zuversichtlich über Weideflächen hinauf zum Haselloch.
Der Weg führt teilweise durch /Grünerlengebüsch (Alnus viridis) und dichten Beständen des /Alpen-Ampfers (Rumex alpinus). Obwohl es heute nicht mehr regnet, werden wir so doch noch etwas nass. Generell ist nun Mitte Juli Hauptblütezeit und die Almweiden werden von einem bunten Mix blühender Pflanzen geschmückt. Unterwegs stellt sich immer wieder die Frage: Botanisieren, Fotografieren oder Wandern? Da wir erst am Anfang unser, doch recht langen, Tagesettape stehen, entscheide ich mich dann doch für Wandern. Das Licht ist außerdem gar nicht optimal. Bilder mit Blitz wirken da einfach nicht so toll. Doch entdecke ich am Wegesrand die /Betonien-Teufelskralle (Phyteuma betonicifolium), die in Oberösterreich nicht heimisch ist. Ein kurzer Schnappschuss muss da schon sein. Die Wolken sind etwas gestiegen und lassen erstmals die wahre Schönheit des Riedingtals erahnen. Saftig grüne Almwiesen in denen zahlreiche Bäche und Seelein eingebettet sind. Auch ist nun der Talschluss mit Wasserfall und der dazugehörigen Wasserfallscharte auszumachen. Dazu Sonnenschein wäre vermutlich so richtig kitschig. Uns aber bläst nun starker und sehr kalter Wind entgegen. Haube, Handschuhe und Goretex werden ausgepackt. Diese Bedingungen dürften hier oben aber üblich sein, wovon die Vegetation zeugt. Ein dichter Teppich der /Gamsheide (Loiseleuria procumbens) bedeckt den Boden. Diese Pflanzenart ist ja optimal an die hiesigen Verhältnisse angepasst und erträgt hohe Windgeschwindigkeiten als auch extreme Minustemperaturen hervorragend. Zwischen den leuchtend roten Früchten haben sich auch typische Flechten wie /Isländisches Moos (Cetraria islandica), /Kapuzenflechte (Cetraria cucullata) und eine Rentierflechte der Gattung/ Cladonia, die ich nicht exakt bestimmen kann, eingenistet.
An der Haselscharte mustert Berni exakt die Südseite des Schiereck. Er hatte hier vor zwei Jahren einen schweren /Bergunfall und hat seither dem Ort des Geschehens keinen Besuch mehr abgestattet. Ganz genau erklärt er mir die Umstände die zu diesem Unfall geführt haben. Lange halten wir uns jedoch nicht auf, wartet am Gipfel der Glingspitze ja etwas viel erfreulicheres auf uns. Ein neuer und somit /unbesuchter Geocache. Nachdem mich Berni begeistert in der uralten Kunst des Geocaching unterwiesen hat, freue mich auch schon auf ein FTF (First to find). Es handelt sich hierbei um einen traditionellen Cache, d.h. dieser ist direkt an den angegebenen GPS Koordinaten hinterlegt ohne vorher irgendwelche Rätsel lösen zu müssen.
Wir wandern nun südwestlich entlang des Weidezauns hinüber zur Glingspitze, die sich noch in Wolken hüllt. Rasch fallen hier markante Kalksteinblöcke auf, die nicht so recht in diesen großflächigen /Krumm-Seggen-Rasen (Carex curvula) passen wollen. Bei näherer Inspektion entdecke ich dann auch /Polster-Segge (Carex firma) und die winzige /Netz-Weide (Salix reticulata), Pflanzen die für Karbonatgestein typisch sind. In unmittelbarer Umgebung blühen auch /Blaugrüner Steinbrech (Saxifraga caesia), /Silberwurz (Dryas octopetala), /Kopfiges Läusigkraut (Pedicularis rostratocapitata) und /Alpen-Grasnelke (Armeria alpina). Berni spaziert inzwischen schon recht Cache-gierig voran. Ich brauche hier einfach ein bisserl länger ;) Der Kalkeinschnitt ist jedoch nur recht schmal und ich erreiche dann silikatisches Gebiet. Kaum beginnt der Quarz wächst hier etwa das /Karpaten-Katzenpfötchen (Antennaria carpatica), das in Oberösterreich nur in oberflächlich versauerten Polster-Seggenrasen wächst. Am Rand der Schneetälchen wachsen im Übergang zum feuchten Krumm-Seggenrasen (Hygro-Curvuletum) /Kraut-Weide (Salix herbacea) zusammen mit dem Moos Polytrichum norvegicum. Wie im Lehrbuch beschrieben! Erstaunlich. Im frisch ausgeaperten Schneetälchen selbst fehlt dann die Krumm-Segge. Zusätzlich blühen hier /Zwerg-Soldanelle (Soldanella pusilla), /Zwerg-Primel (Primula minima) und einzelne Pflänzchen der /Klebrigen Primel (Primula glutinosa).
Nachdem die erste Neugier befriedigt ist, spaziere ich flotten Schrittes hinauf zum Gipfel um Berni noch einzuholen. Bei dichtem Nebel und einer Sichtweite von 10 Metern, jedoch kaum Wind, trudeln wir am grasbewachsenen Gipfel der Glingspitze ein. Nach einer kurzen Stärkung wird auch schon der GPS Empfänger ausgepackt und nähern uns langsam den Zielkoordinaten. Nachdem wir das Gebiet auf eine Fläche mit 6 Meter Radius eingegrenzt haben, beginnen wir mit der intensiven Suche. Berni hat dann den richtigen Riecher und findet den Cache im Einmachglas unter einem Stein. Nun obliegt uns die Ehre den Erstfund zu dokumentieren. Der Cache ist gut bestückt, wobei ein Travelbug sowie ein Geocoin in unseren Rucksack wandern. Als Austausch hinterlegt Berni ebenfalls einen Travelbug. Ich spendiere noch mein laminiertes Tigerentenbild, das ich schon 10 Jahre als alternative "Visitenkarte" in meiner Geldtasche rumtrage.
Bevor wir wieder retour wandern, muss noch die Gipfelvegetation inspiziert werden. In den Felsen tummeln sich /Kugelblumenblättrige Teufelskralle (Phyteuma globulariifolium), /Moschus- (Saxifraga moschata) und /Moos-Steinbrech (Saxifraga bryoides) sowie die Kraut-Weide (Salix herbacea). In der Wiese gedeiht viel Lebendgebärendes /Alpen-Rispengras (Poa alpina subsp. vivipara) bei dem die Ährchen zu Brutknopsen umgebildet sind. Für einen gelben Aspekt sorgen Massen an /Berg-Nelkenwurz (Geum montanum). An der exponierten Abbruchkante nach Westen wächst die /Rosenwurz (Rhodiola rosea).
Kurz vor dem Haselloch scheint sich das Wetter etwas zu bessern und die zerklüfteten Kalkfelsen des Weißgrubenkopfes werden sichtbar. So beschließen wir diesem Gipfel noch einen Besuch abzustatten. Um nicht allzu viel Höhe zu verlieren traversieren wir die Westhänge des Tappenkars. Aufgrund der vielen Viehgangln kommen wir schnell vorwärts, doch ist die Querung auch recht matschig und feucht. Unterwegs begegne ich auch einem /Gewöhnlichem Kohlröserl (Nigritella rhellicani) umgeben von der Netz-Weide (Salix reticulata). Flott erreichen wir wieder den markierten Aufstiegsweg 02 zur Weißgrubenscharte. Der Weg ist aufgrund der intensiven Weidewirtschaft bereits stark erodiert. Hier befinden wir uns wieder zwischen Kalk und Silikat. Am rechten, silikatischen Wegesrand wachsen einige schöne Exemplare des gelbblühenden /Tüfel-Enzians (Gentiana punctata) sowie der /Gämsen-Binse (Juncus jacquinii), das mit seinen roten, korkzieherartig gedrehten Narben auffällt. Linkerhand, wo sich der Kalk vom Weißgrubenkopf herüberzieht verwandeln sehr viele Exemplare des Kopfigen Läusekrauts (Pedicularis rostratocapitata) die Wiesen in rosablühende Flächen. Ein dichter Bestand an /Alpen-Süßklee (Hedysarum hedysaroides) sorgt ebenfalls für Abwechslung. Ein aus der Heimat wohl bekannter Wegbegleiter, der /Weiße Speik (Achillea clavennae), wächst ebenfalls hier. Jedes Wiesenfleckerl scheint seine ganz eigene Farbkomposition zu besitzen. Zusammen ergibt sich so ein wunderbares Gemälde.
Die l00 Meter Aufstieg zum Gipfel sind noch einmal sehr stürmisch. Die Sicht auf die umliegenden Berge und hinunter ins Tappenkar ist sehr eingeschränkt. Im Eiltempo peitscht der Wind die Wolken über den Kamm. Berni und ich verzichten auf das obligatorische Gipfelfoto und steigen sofort wieder ab. Nur drei Burschen aus Deutschland, die in Jeans und ohne Rucksack unterwegs sind, genießen ihre Gipfelzigarette. Seltsam.
Wer während des Abstiegs noch einen guten Blick für kleine Dinge hat, kann den /Dunklen Mauerpfeffer (Sedum atratum) entdecken. Diese kaum zwei Zentimeter große Pflanze ist rotbraun überlaufen und eine der wenigen einjährigen Hochgebirgspflanzen. Der Weg zur Franz-Fischer-Hütte verläuft nun auf sanften Almwiesen und überwindet nur sehr wenige Höhenmeter. Trotz des mittelprächtigen Wetters würde ich sagen: Genuss pur. Schwarze Wasserfälle, roter Almrausch (Rhododendron hirsutum als auch Rhododendron ferrugineum) und ein prächtiger Ilgsee zeugen noch einmal von der außergewöhnlichen Schönheit des Riedingtals. Kurz vor der Hütte verläuft der Weg noch in einem Bereich mit viel Quarzit. Der Weg wirkt regelrecht künstlich mit Quarzkies bedeckt, so blendend weiß strahlen die Steinchen. Das Wetter hat sich leider noch nicht gebessert als wir um 1645 bei der Hütte eintreffen. Die Gipfel von Faulkogel und Mosermandl, wo auch Neuschnee runterfunkelt, verstecken sich hinter dunklen Wolken.
In der Hütte werden wir in der gut geheizten Gaststube bestens mit köstlichen Schinkennudeln bewirtet. Nur hat der Wirt Murauer Bier durch Stiegl ersetzt. *hmpf* Gegen 1900 lichtet sich endlich die Wolkendecke und die Gipfel werden frei. Die Nordwestwand des Weißeck scheint aus einem einzigen riesigen Plattenschuss zu bestehen. Die Kalkplatte ist nur von unzähligen Wasserrillen zerfräßt. Sowas habe ich überhaupt noch nie gesehen. Zwei Steirer, ein Bayer (Der einigen Forumsmitgliedern bestens bekannt ist *g*) sowie Berni und ich sind die einzigen Gäste. Der Hüttenabend klingt dann mit der üblichen Fachsimpelei und einigen Bieren gemütlich aus.
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