| Nachdem mir Sonja eine riesige Portion Eier mit Speck zubereitet hat, breche ich um 0720 auf. Und es ist bereits sehr warm heute. Gemütlich wandere ich zur Liezener Hütte, wo es noch Überreste alter Almgebäude gibt. In einem Bergmietsverzeichnis aus dem 16. Jahrhundert werden noch eine Mitterhütten und Oberhütten erwähnt, was auch den Namen Niederhüttenalm erklärt. Vermutlich waren dies die Hütten am Schafschwemmboden bzw. neben dem Goldbachl.
Ich folge dem Bachlauf zur ehemaligen Gamperalm. Unzählige Male überquere ich den Bach. Die Blütezeit von Clusius-Enzian (Gentiana clusii) und Jagabluat (Primula clusiana) ist bereits vorüber. Nur an schattigen Plätzen, wo es spät ausgeapert hat, finden sich noch vereinzelt Exemplare. Aber das Gras ist schon hoch und bietet eine gute Weide für das Vieh. Auf den alten Kuhfladen wachsen auffällige Pilze. Es handelt sich hierbei um den Ring-Düngerling (Paneolous semiovatus). Im hintersten Goldbachtal, dem Kamper Kester, ist die Szenerie dann wirklich beeindruckend. Senkrecht ragen die Abstürze des Möblingkamms empor. Zusammen mit sanften Flanken zum Querlstein schaffen sie ein riesiges Amphitheater. Saftige grüne Wiesen und dunkle Latschenkiefern werden vom hellgrauen Hauptdolomit umrahmt. Einfach fantastisch. Hier gibt es auch noch viele kleine Lacken. Diese sind ein wichtiges Laichgebiet für Grasfrösche (Rana temporaria), Erdkröten (Bufo bufo) und Bergmolche (Triturus alpestris), die man oft antreffen kann. Der Anstieg vom Kawassersee zum Querlstein wäre noch im Schatten. Außerdem hätte ich hier nur wenige Höhenmeter zu überwinden. Doch die nahe und uralte Brunnalm habe ich noch nie besucht. Also quere ich neugierig zurück zum markierten Weg. Überall blüht die Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirustum) im lichten Lärchen-Zirbenwald. Über einen herrlich angelegten Weg erreiche ich dann die idyllisch gelegene Brunnalm. Einige Almgebäude stammen aus dem 18. Jahrhundert, sind aber in einem schlechten Zustand und im Verfall begriffen. Interessant ist hier das komplette Fehlen des Alpen-Ampfers (Rumex alpinus), der sonst für alte Lägerfluren ganz typisch ist.
Bei der Jagdhütte gibt es einen Brunnen, wo ich sicherheitshalber meine Wasservorräte auffülle. Eine gute Entscheidung, denn der südseitige Anstieg zum Querlstein ist steil und sehr schweißtreibend. Kein Wölkchen zeigt sich am Himmel. Aber mit jeder erklommen Felsstufe verändert sich ein bisschen die Vegetation und sorgt für Ablenkung. Erwähenswert ist ein Abschnitt mit sehr viele Narzissen-Windröschen (Anemone narcissiflora). Endlich wird das Gelände flacher und ich quere zum Gipfelkreuz des Querstein. Und dann haut's mich fast aus den Socken. Ich kenn ja jetzt schon viele Urwiesen im Gebiet, aber die Kohlröschendichte hier ist beeindrucken. Ich muss wirklich aufpassen um keines zu zertreten. Die meisten Exemplare hätte ich wieder als Widders Kohlröschen (Nigritella widderi) bestimmt. Aber es gibt auch welche mit deutlich walzenförmigen Blütenstand. Das könnte dann das Zweifärbige Kohlröschen (Nigritella bicolor) sein. Am Gipfel befindet sich ein relativ neues Kreuz, in dem eine Kuhglocke kunstvoll integriert wurde. Wie gestern bei der Hütte empfohlen, schlage ich mal an. Klingt gut :) Beim Studium des Gipfelbuchs fällt mir ein Eintrag vom 12. Juli auf. Gisbert Rabeder, der legendäre Autor des AV-Führers Totes Gebirge, ist immer noch unterwegs. Sehr schön!
Lange sitze ich am Gipfel und kann mich einfach nicht satt sehen. Ein Traumplatzerl. Der weitere Weg zu Mittermölbing ist dann sehr angenehm. Eine mäßige Brise sorgt für Kühlung und der Ausblick wird immer besser, bis er sich am Mittermölbing komplett erschließt. Die Ostabstürze der Prielgruppe sind immer wieder ein monumentaler Anblick. Den nahen Gipfel des Hochmölbings erreiche um 1230. Ich raste nur kurz, denn der Ausblick bleibt mir während des Abstiegs zum Kleinmölbing eh erhalten. Für den Gipfelbereich ist ein Vorkommen des Dolomiten-Mannsschild (Androsace hausmannii) belegt. Es soll jedoch etwas schwer zu finden sein. In der unmittelbaren Umgebung kann ich nichts entdecken und für eine gründliche Suche fehlt mir die Zeit, denn es ist schon sehr warm. Jetzt rächt sich der späte Aufbruch bei der Hütte. Bei einer besonders artenreiche Wiese muss ich dann doch kurz den Rucksack ablegen. Dicht gepackt stehen Silberwurz (Dryas octopetala), Gold-Fingerkraut (Potentilla aurea) und Alpen-Wundklee (Anthyllis vulneraria). Dazwischen blühen Alpen-Grasnelke (Armeria alpina) und Blattloser Ehrenpreis (Veronica aphylla). Der Abstieg ist dann an herrlicher, unbehinderter Aussicht nicht zu überbieten. Beim Kleinmölbing lege ich noch eine längere Pause ein, bevor ich zum Kirchfeld absteige. Beim Seelein hat sich eine leuchtend rote Schicht gebildet. Die Färbung könnte durch die Blutregenalge (Haematococcus pluvialis) oder das Rote Augentier (Euglena sanguinea) verursacht werden. Aber nur mit einer mikroskopischen Untersuchung wäre eine Bestimmung möglich. (Erinnerung an mich: Immer ein kleines Probenfläschchen in den Rucksack packen), Auch hier sind die Lacken gut mit Bergmolchen bestückt. Wer genau schaut, findet eine zierliche Wasserpflanze. Das ist der Sumpf-Wasserstern (Callitriche palustris). Das letzte Stück hinunter zur Hochmölbinghütte ist dann sehr heiß. Kein Lüfterl weht hier. Ein kühles Bier bei der Hochmölbinghütte ist nun unglaublich erfrischend.
Zum Abstieg über das Hochtor fällt mir nur eins ein: Heiß! Um 1730 erreiche ich dann wieder den Ausgangspunkt in Schönmoos. Fazit: Es war eine grandiose Wanderung in einer wunderschönen Landschaft. Das südliche Tote Gebirge wächst mir immer mehr ans Herz. Den Tausing und die Schneehitzalm kann man sich getrost sparen. Beim nächsten Mal verkürze ich die Wegstrecke und nehme mir viel mehr Zeit zum Fotografieren und Botanisieren.
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