| Wie mit Toni vor etwa einem Monat am Hohen Tenn vereinbart begeben wir uns wieder nach Kaprun um das Große Wiesbachhorn und seine Nachbarn zu besuchen. Mit von der Partie ist heute auch Rudi, ein Arbeitskollege von Toni. Der Wetterbericht verkündet zwei prächtige Spätsommertage, die wohl genutzt werden wollen. Mit Bussen und dem /Lärchwand-Schrägaufzug gelangen wir bequem auf etwas über 2000 Meter über der Adria. Mit AV-Ermäßigung schlägt die Berg & Talfahrt mit 15,50 € zu Buche. Wesentlich billiger als die Fahrt mit dem Frauenkarlift auf der Wurzeralm!
Um 1000 starten wir am Stausee bei wolkenlosem Himmel und angenehmen Temperaturen. Östlich ragen schon die morgigen Gipfelziele in den Himmel: Wiesbachhorn, Hinterer Bratschenkopf und Klockerin. Toni, Rudi und ich wandern jedoch am Westufer hinauf zum Kleinen Grieskogel und weiter zum Grieskogel. Glücklicherweise konnten wir die Gletscherausrüstung noch im Büro der Kasse verstauen, wodurch die Rucksäcke heute noch nicht ganz so schwer sind. Auf besten Wanderwegen gewinnen wir bei angenehmer Steigung rasch an Höhe. Wo der Weg nach Nordwesten umbiegt eröffnet sich dann eine fantastische Aussicht auf das Karlingerkees flankiert von Hohe Riffl und Johannisberg. Der Hocheiser lässt sich auch blicken und hinter uns ragt das Kitzsteinhorn empor. Auf der anderen Talseite präsentiert sich der Hohe Tenn mit seiner dominanten Gestalt, der von dieser Seite das Wiesbachhorn an Schroffheit glatt in den Schatten stellt. In der Tiefe glitzert der türkise Mooserboden-Stausee.
Rudi und Toni gehen schon etwas voraus. Mir geht es heute jedoch nicht besonders gut. Der Rucksack fühlt sich an, als wäre er mit Steinen gefühlt. Ich hoffe nur mir geht es morgen deutlich besser, sonst wird das nix mit den drei Dreitausendern. Um mich etwas zu erholen lege ich eine kurze Pause ein und begutachte die heimische Flora. Auf dieser Höhe sind immer noch etliche blühende Pflanzen zu sichten. Im Paragneis tummeln sich hier typische Silikatpflanzen die etwa im Kalk fehlen. /Alpen-Mannsschild (Androsace alpina) mit weißen und roten Blüten, /Moos-Steinbrech (Saxifraga bryoides) und /Halbkugelige Teufelskralle (Phyteuma hemisphaericum). Ganz interessant auch das /Einköpfiges Berufskraut (Erigeron uniflorus), das als Extremist besonders windverblasene Grate besiedelt. Aber auch der /Blaue Eisenhut (Aconitum napellus) wächst hier.
Als wir uns der 3000er Marke nähern wird's doch ein bisserl kühler und die Fleece-Jacke wird ausgepackt. Es weht aber kaum Wind. Vor dem Schlussanstieg über die große Blockhalde deponieren wir noch unser Gepäck um die letzten Höhenmeter leichtfüßig zurückzulegen. Ich sag da nur: Seeeehr angenehm. Die Blöcke sind recht groß und liegen stabil. So gestaltet sich der Aufstieg unschwer. Das letzte Stückchen zum eigentlichen Gipfel des Grieskogels führt über eine schöne, ausgesetzte Platte. Die Aussicht wird immer spektakulärer. Im Westen zeigt sich die riesige Gletscherfläche des Großvenedigers. Unverkennbar auch Großglockner und Glocknerwand. Am Grieskogel steht kein Gipfelkreuz. Dafür befindet sich hier etwas viel originelleres: Bergkristalle aus Stahl. Grad recht für Rudi und Toni, die ja Stahlwerke verhökern
Nach gut 15 Minuten Rast beginnen wir wieder mit dem Abstieg, grapschen unsere Rucksäcke und gelangen um 1400 und 1000 Meter tiefer zum Bergrestaurant "Heidnische Kirche", wo wir uns mit einer kleinen Zwischenmahlzeit stärken. Im Süden türmt sich inzwischen Quellbewölkung auf. Wir schätzen diese Wolken eher als harmlos ein, brechen aber trotzdem kurz vor 1500 wieder auf. Die Rücksäcke sind mit der Gletscherausrüstung nun empfindlich schwerer. Und 50 Meter Seil wiegen auch noch mal gut 3 Kilogramm. In endlos erscheinenden Serpentinen, die durch stark erodierten Kalkglimmerschiefer führen, absolvieren wir die 800 Höhenmeter hinauf zum Schwaiger-Haus. Interessantes Pflanzenzeugs wächst hier, das typisch für eine Kalkflora ist. Doch die Anstrengung ist etwas zu hoch um sich näher mit Botanik zu beschäftigen. Toni schleppt als Erster das schwere Seil, bevor ich die nächste Etappe übernehme. Ein Blick hinüber zum Kapruner Törl verkündet nichts Gutes. Eine dichte, schwarze Bewölkung hat sich gebildet. Sieht eindeutig nach Niederschlag aus. Da ich heute überhaupt nicht fit bin, falle ich immer weiter zurück. Rudi, der schon zu Eile mahnt, übernimmt das Seil, ist er doch mit wesentlich mehr Schmalz ausgestattet als ich. Nun geht's schon wesentlich flotter voran. Wir können schon den markanten Felsvorsprung sehen, auf dem sich die Hütte befindet, als leichter Regen einsetzt. Bei der Markierung "5 Minuten" wird der Regen stärker. Im Laufschritt erreichen wir bereits etwas durchfeuchtet die rettende Hütte.
In der gut beheizten Gaststube erholen wir uns recht rasch. Die gesamte Hütte ist recht…. rustikal um es vorsichtig zu formulieren. Die sanitären Anlagen können weder überzeugen, noch sind sie recht sauber geputzt. Aus Wassermangel gibt es nur eine Versorgung mit Kanister. Im Grund nicht weiter schlimm, doch drängt sich die Frage auf: "Hat die Sektion München wirklich so wenig Geld?". Hauptsache in der Gaststube ist es gemütlich und die Verpflegung ist schmackhaft. Nach ein paar Bierchen verkriechen wir uns um 2100 ins Zimmer. Starker Wind peitscht die Regentropfen an die Glasscheibe. Bei dieser Geräuschkulisse brauche ich nur 10 Sekunden bis ins Land der Träume.
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