| Franz Hauzenbergers Wander-, Kletter- und Schiführer ist schon eine besonders nette Fundgrube für unmarkierte Touren im Höllengebirge. Kugelzipf NW-Grat? Noch nie gehört. Also lieber gleich mal nachschauen!
Etwas später also üblich erreiche ich den Parkplatz bei der Kienklause kurz vor 0900 und erhasche noch einen der letzten Parkplätze am Straßenrand. Ich denk mir nur: "Geh leck, des wird heute eine Massenprozession". Aber Bergfexing Harry hat ja einen Talon in der Hand. Am NW Grat wird es aufgrund der zu erwartenden Schwierigkeiten (I-II) sicherlich einsam. Bei starker Bewölkung und mäßigem Wind beginne ich meine Wanderung und folge dem markierten Normalweg hinauf zum Hochleckenhaus.
Die Vegetation hat sich prächtig entwickelt. Im untern bereich blüht entlang der Forststraße der /Wald-Geisbart (Aruncus dioicus) und zieht jede Menge Insekten an. Sonst begleiten mich in höheren Lagen /Kugelige Teufelskralle (Phyteuma orbiculare), /Alpen-Augenwurz (Athamanta cretensis), /Weißer Speik (Achillea clavennae), Alpen-Maßliebchen (Bellidiastrum michelii) und etliches an /Akeleiblättriger Wiesenraute (Thalictrum aquilegifolium). Eigentlich wollte ich ja gar nicht Pflanzen bestimmen, aber diese Pracht gehört schon näher begutachtet. Auf Schuttfluren wächst etwa der /Schild-Ampfer (Rumex scutatus). Durch die gestrige Uni-Exkursion im Buchenwald des Kapuzinerbergs sind meine Sinne zusätzlich geschärft. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen der /Goldnessel (Galeobdolon luteum) stellen somit auch keine Hürde mehr da. Oh Mann, ich könnt ja inzwischen eine seitenlange Artengarnitur anführen, doch die ist eher was fürs private Exkursionsarchiv ;)
Kurz unter der Hohen Rast weist ein grünes TVN Schild "Adlerspitze" nach links. Ich ignoriere also die Absperrung und folge dem gut ausgeprägten Steig in den Sattel zwischen Adlerspitze und Kugelzipf. Hier überlege ich noch kurz ob ich den Gipfel der Adlerspitze besuchen soll, doch bei einer sehr ausgesetzten Stelle mit geschätztem Schwierigkeitsgrad III lass ich's dann doch lieber sein. Ich wandere kurz retour in den Sattel und folge den roten Punktmarkierung bzw. dem nicht zu verfehlendem Steig entlang des NW-Grates. Nach rund 20 Minuten führen die Markierungen rechterhand in den Fels aufwärts in eine Rinne. Eine kurze genussvolle Kletterrei (I-II) beginnt, die aber wie immer viel zu früh endet. Wieder am Grat angelangt, stürmt es ganz ordentlich. Es ist immer noch stark bewölkt und kalt. Also packe ich meine Jacke aus. Auch die Fingerchen sind schon etwas beleidigt, aber Handschuhe würden beim Klettern nur stören. Am Grat fallen die stark behaarten Blätter des /Zottigen Habichtskrautes (Hieracium villosum) auf. Tja, die Evolution hat für dieses Pflanzerl auch eine Möglichkeit gefunden, sich mit den hiesigen Wetterbedingungen zu arrangieren. Etwas reißerisch könnte man dazu auch "gegen die Unbilden der Natur zu schützen" sagen. Durch einen Latschenschlupf erreiche ich rasch das Ende des Grates. Hier befindet sich eine Nische mit einem netten Felsenfenster. Irgendwie kommt mir dieser Ort bekannt vor. Ahh, hier liegt der Geocache "Secret Paths to Hell III". Also kraxle ich durch das Fenster und gelange zu einer tollen Aussichtsloge mit viel /Silberwurz (Dryas octopetala). Von hier aus könnte man auch direkt zum Gipfel aufsteigen (Gehgelände), doch ich kratsche noch einmal retour und folge der Punktmarkierung. Hier gilt es eine 5 Meter-Platte mit einigen Rissen zu überwinden. Die Griffe sind eher mager, aber mit Geschick kein Problem. Trotzdem würde ich hier für Kugelzipf-Aspiranten den (lustigeren) Weg durch das Felsenfenster empfehlen. Nach rund 2h10min erreiche ich den Gipfel mit Gipfelbuch und bestaune die Aussicht auf den Attersee. Doch lange verweile ich nicht. Es stürmt immer noch recht heftig.
Der Weg zum nahen Hochleckenhaus führt über saftige Wiesen mit schönen /Trollblumen (Trollius europaeus) und /Wald-Storchschnabel (Geranium sylvaticum). Die Kalkfelsen sind von den rotblühenden Polstern des /Stängellosen Leimkrauts (Silene acaulis) überzogen. Am Rand der Schneetälchen blühen an den frisch ausgeaperten Stellen /Clusius-Primel/Jagabluat (Primula clusiana) und /Alpen-Soldanellen (Soldanella alpina). Unterwegs plumpst plötzlich das linke Glas meiner Sonnbrille auf den Boden. Etwas verblüfft bestaune ich meine (ohne Einwirkung) gebrochene Sonnbrille. Vermutlich musste nach einem Jahr Uni mein /Cranium expandieren und sprengte dabei die Brillenfassung :) Am Hochleckenhaus endet leider meine ruhige und einsame Tour. Es herrscht Hochbetrieb und die Schlange vor dem Tresen reicht bis auf die Terrasse. Also kehre ich gleich wieder um und latsche über den Normalweg retour zum Ausgangspunkt wo ich um 1300 wieder eintreffe. Sodala und jetzt schau ich noch nach Steinerkirchen zur kombinierten Burzlfeier von Peter und Sieglinde. Dort gibt's sicherlich ein feines Fest mit Sonnenschein und leckere Spezereien
Fazit: Etwas Kraxlerei, feine Aussicht und vor allem: Abseits des Mainstreams. Sehr lohender Aufstieg zum Hochleckenhaus.
PS: Die Fotos sind von der "schrecklichen" Sorte, war ich doch nur mit meiner alten Ixus unterwegs. Von den 10 Makros ist bei der üblichen Weiß-Rotschwäche dieser Kamera wieder einmal gar kein gutes Exemplar dabei. *Grrr* |