| Der Hohe Nock NO-Grat wird oft als landschaftlich schön und empfehlenswerter als der Normalweg (von der Feichtau) beschrieben. Absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit vorausgesetzt, begibt man sich hier ja in I-II Gelände. Markierungen gibt es auch keine. Also ganz genau die richtige Dosis die Bergfexing Dad und Harry brauchen. Und *hüstel* der letzte Besuch der Feichtau fand am 30. August 1986 statt.
Der Wetterbericht für eine ausgedehnte Bergtour ist optimal. Badewetter und selbst für das Gebirge werden nur 10% Niederschlagswahrscheinlichkeit prophezeit. Bei diesen Prognosen hält es auch Bergfexing Mum nicht zuhause aus und beschließt uns bis zur Polzhütte zu begleiten. Wir starten um 0800 am Parkplatz Hopfing und marschieren zuerst 30 Minuten auf einer Forststraße um den Schießplatz zu durchqueren, wo heute kein Betrieb herrscht. Das Gebiet ist aber aus botanischer Sicht durchaus interessant, werden die Wiesen ja nicht beweidet oder gedüngt. Somit trifft man hier auf etliche Orchideen. Diese sind meistens an einen Wurzelpilz (/Mykorrhiza) gebunden, wobei der Pilz die Düngung gar nicht verträgt. Die Böden des Tals bestehen weitgehend aus Geschiebe des Niklbaches, ein perfekter Standort für die /Alpen-Pestwurz (Petasites paradoxus) mit den markanten dreieckigen Blättern. Dafür sehen die Bäume hier recht verkrüppelt aus.
Rasch gelangen wir in den dichten Buchenwald der für angenehme Abkühlung sorgt. Der breite Weg ist nicht nur wander- sondern auch viehtauglich. Während des Aufstiegs zeigen sich immer wieder Lawinenkegel und jede Menge "gspreisselte" Buchen und Fichten. Der Weg wurde überall aber bestens ausgeschnitten. Nach rund 2h erreichen wir schon die große Almfläche mit ihren saftigen Wiesen. Interessanterweise bilden die /Sumpf-Dotterblumen (Caltha palustris) entlang des Baches fast einen komplett geschlossenen Bestand, wodurch eine große Fläche in wunderschönem Gelb erstrahlt. Während Mum dem Weg zu den Feichtauseen folgt, wandern Dad und ich hinauf zum Haltersitz mit schönem Tiefblick zu den Seen. Der Kleine Feichtausee ist sogar noch großteils zugefroren. Im Gepäck findet sich eine patentierte Wegbeschreibung von Georg Schrutka, wodurch der Aufstieg zielsicher verläuft. Bevor wir das große Latschenfeld verlassen findet sich auf einem markanten Felsblock eine etwas ausgebleichte, jedoch gut erkennbare rote Schrift "NO-Grat". Wir folgen den Steigspuren durch ein Schotterfeld in eine Rinne (I). Bereits hier sind die einzelnen /Polster-Seggen-Treppen (Carex firma) mit wunderschönen /Kalk-Glocken-Enzianen (Gentiana clusii) bestückt. Der Aufstieg in die Scharte erfolgt leicht. Dad folgt lieber den Rasentreppen, ich wähle die ausgewaschene Rinne. In der Scharte, mit lässigem Gratturm, ergeben sich erstmals Einblicke ins östliche Kar mit den toll geschichteten Nockpfeilern. Wie Orgelpfeifen stehen hier die einzelnen Gesteinsschichten. Schaut auch nach gutem Kletterfels aus. Nach der Scharte gewinnen wir den Grat nach links. Hier sind einige ausgesetzte Stellen dabei, die dafür einen herrlichen Tiefblick bieten. Dad meint nur: "Oiso, zwamoi schau i do ned obi!". Ich find's nur klasse ;) Wir treffen auf zwei Bohrhacken, wobei mir nicht ganz klar ist, welche Stelle diese entschärfen sollen. Aber ich muss ja nicht alles kapieren. Nach der rampenartigen Platte gelangen wir auf ein ebenes Grasstück, wo wir ein kurzes Verschnauferli einlegen. Wir halten uns eher rechts, wobei wir in leichter werdender Kletterei den direkten Grat erreichen. Die Rundumsicht ist wirklich einmalig. Besonders gut gefallen mir die Einblicke ins Kar zwischen Schneeberg und NO-Grat. Auf der Sonntagsmauer hat der Sturm ja den Rücken komplett entwaldet. Unschwer (Durchwegs Gehgelände) folgen wir dem Grat auf das Nockplateau. Immer wieder machen wir kurze Photopausen und feine Kletterpassagen oder nur die Aussicht zu dokumentieren. Genuss pur. So eine Gratwanderung mit leichter Kraxlerei ist schon was Feines. Und die Aussicht ist sowieso besser als vom Normalweg der tief unten im Kar verläuft.
Am Plateau angekommen, sehen wir auch schon das nahe Gipfelkreuz. Doch wir sind zuerst von den großen Polstern des /Stängellosen Leimkrauts (Silene acaulis) fasziniert, die heute intensiv von /Kleinen Füchsen (Aglais urticae) bevölktert werden. Am Gipfel eröffnet sich schlussendlich das gewaltige Panorama. Trotz der hohen Temperaturen reicht die Sicht wieder einmal bis zum Ankogel. Paps (aka Provianta-Dad) hat wie üblich für leckere Spezereien, Chilis, Bier und Zirbenschaps gesorgt. Kein Wunder, dass ich ihn immer wieder zu Bergtouren mitnehme Gibt's eigentlich eine bessere Gipfelrast?
Nach kurzer Rast flitzen wir auch schon wieder über den Normalweg hinunter zur Polzhütte. Die Schotterpassagen können nicht besonders überzeugen, sind jedoch sehr kurz. Kurz nach 1300 trudeln wir auch schon wieder bei der bewirtschafteten Hütte ein, wo Mum inzwischen in Schatten geflüchtet ist. Ein Glas Landessäure, sowie ein Speckbrot liefert die nötige Energie für den Abstieg. Kurz nach der Feichtauhütte treffen wir noch auf Thomas, Karo und Stefan, die es tatsächlich doch noch geschafft haben, sich aufzurappeln um eine Wanderung zu unternehmen. Nach unspektakulärem Abstieg, mit lockerem Austraben auf der Forststraße erreichen wir um 1605 wieder den Ausgangspunkt.
Fazit: Tolle Gratwanderung. Fesch wars… mit Abstrichen. Der NO-Grat ist wirklich wunderschön und eine Empfehlung meinerseits. Trotzdem kann der Anstieg bis zur Feichtau nicht überzeugen, was jedoch an meiner Abneigung bezüglich dichter Buchen- bzw. Fichtenwälder liegt.
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