| Herbstliches Traumwetter hat sich eingestellt. Da hält mich nichts zuhause, wo eigentlich Organische Chemie und Bionik auf mich warten. Der Kopf gehört ja auch in regelmäßigen Abständen ordentlich gelüftet. Aus verlässlicher Quelle weiß ich: Bergluft erfüllt diesen Zweck optimal. Also will ich hoch hinaus und ein paar Kraxeleinlagen wären auch nicht schlecht. So fällt mein Ziel auf die Rameschüberschreitung inklusive Abstecher zum Toten Mann.
Um 0900 starte ich bei der Bergstation der Standseilbahn und schlendere gemütlich zum Frauenkarlift. Hier wurde ja eine neue Piste gesprengt, die mit eher mäßigem Erfolg wieder begrünt wird. Also schau ich mir die Sache mal näher an und steige direkt über die Piste auf. Die Piste ist ja ordentlich steil. Dementsprechend verfrachtet das Wasser das Bisschen Boden nach unten. Offensichtlich wird hier auch Heu ausgebracht, um vermutlich eine Bodenbildung und Düngung zu fördern. Jedenfalls wird das Heu auch herabgeschwemmt und landet an der Basis. Von der ursprünglichen Kalkflora gibt es auch keine Spur mehr. Über weite Strecken dominiert das Wiesen-Lischgras (Phleum pratense). Und der Herbst-Zahntrost (Odontites vulgaris) hat hier auch nix verloren. Grausig und artenarm ists hier. Also verlasse ich rasch dieses hässliche Gebiet und wandere über Karren in einen goldenen Lärchenwald hinüber zum Ramsch-Ostgrat. Ach, hier gefällt es mir gleich viel besser. Als ich höher steige, werden die Lärchen immer goldgelber. In der Ferne zeigt sich Richtung Alpenhauptkamm eine gewaltige Föhnwalze. Der Südwind ist aber nur mäßig und ich kann herrlich im kurzen Leiberl wandern. Da ich heute durch den lichten Wald direkt zum Ramesch gehe, gelange ich zum äußersten Ende des Ostgrates und begehe diesen somit von ganz unten. Der Aufstieg über Rasenbänder und herrlich gebanktem Dachsteinkalk ist Genuss pur. Kraxeltechnisch bin ich ganz gut im Training (Jaja so ein Kletterkurs in der Halle bringt schon was) und ich weiche nicht von der Gratkante ab. Obwohl links und rechts Gehgelände bzw. maximal I Schwierigkeitsgrad zur Verfügung steht, bastle ich somit im III Grad rum. Sau geil, da die Stufen ja nur 2-3 Meter hoch sind. Rasch gewinne ich an Höhe und der Ausblick wird immer besser. Haller Mauern, Xeis, Schladminger Tauern bis zum Grimming. Dazu die kühle Herbstluft und ein strahlend blauer Himmel. Herrlich. Kurz vor dem Vorgipfel stoße ich jedoch an die Grenzen meiner Kletterkunst. Und a bissl zu gefährlich ists auch. Ein glatter 4 Meter hoher Kalkwulst versperrt mir den Weg. Also wechsle ich in die Südflanke und gelange über Gehgelände zum Hauptgipfel. Für den Aufstieg benötige ich äußerst gemütliche 2h30min. Die Aussicht ist abwechslungsreich. Nach Osten die Wurzeralm im Herbstgewand, besonders die Moore sind schon sehr schön braunrot verfärbt. Nach Süden das Hochangern Plateau mit seinen goldenen Lärchen und im Westen das Warscheneck mit seiner Ostwand. Einfach nur schön! Um den Genuss noch zu steigern, pflück ich mir ein kühles ZU (in Fachkreisen auch Zipfer Urtyp genannt). Aaaahhh!
Als ich mich dann ins Gipfelbuch eintrage, staune ich nicht schlecht. Es befindet sich ein Ausdruck meiner Tour von 2006 in der Gipfelbuchkassette. Überhaupt ist der Ramesch aktuell wenig besucht. Der letzte Eintrag ist auch schon wieder ein Monat her. Kurz nach 1200 steige ich dann in die Frauenscharte ab. Zuerst in die Südflanke wende ich mich kaum 10 Meter unter der Scharte zwischen den zwei Gipfeln nach Westen und gelange über das Rasenband direkt zum ersten Kamin. Hier habe ich den Steinmann noch etwas ausgebaut (oder auf Neudeutsch "gepimpt" *g*). Über den zweiten Kamin (I) gelange ich dann schon wieder in leichtes Gehgelände. Auch der hiesige Steinmann wird ordentlich ausgebaut, damit dieser von der Scharte ersichtlich ist. Der Abstieg vom Gipfel in die Scharte schlägt mit kaum 20 Minuten zu Buche. Um die Tour noch etwas zu verfeinern, beschließe ich noch den Toten Mann zu besuchen. Hierzu quere ich das Brunnsteinerkar im Bereich der großen, stabilen Blöcke und visiere die kleine Einschartung an, wo auf der Nordseite das Glöcklkar heraufzieht. Dort befindet sich ja der Normalweg. Im Kar tummeln sich immer viele Gämsen, die mich kritisch beäugen. Ihre Warnpfiffe begleiten mich noch während des kurzen Gegenanstiegs. Das Gelände sieht von der Weite nach I-II aus, entpuppt sich aber dann tatsächlich als Gehgelände und die Hände kommen gar nicht zum Einsatz. Um 1300 stehe ich dann am Gipfel des Toten Manns. Leider hat nun der Wind an Stärke ordentlich zugenommen und er dreht bereits leicht nach Osten. Also wird wieder die Fleecejacke ausgepackt. Über die herbstliche Speikwiese wandere ich gemütlich retour zum Rote Wand Sattel. Diese Urwiese ist eine botanische Kostbarkeit. Hoffentlich wird dieses Naturjuwel nicht durch die geplante Zusammenschließung der Skigebiete Höss und Wurzeralm zerstört. Eine Liftstation soll sich ja am Toten Mann befinden. Schon toll wenn dieses Gebiet erst 2008 erweitert und unter Schutz gestellt wurde. Und der Alpenverein schreibt treffenderweise: "Das besonders Pikante an dieser Sache: Das Land OÖ selbst ist Miteigentümer der Seilbahngesellschaft HiWu, deren Mehrheitseigener ÖSV-Präsident Schröcksnadel ist". Ich will mit meinen geleisteten Steuerbeiträgen diese völlig hirnlose Idee [sic!] nicht mitfinanzieren. Tja, es ist zum Ärgern. Darum sauge ich die Eindrücke dieses Traumtagerls noch so richtig in mich auf.
Um 1400 trudle ich beim bereits im Schatten liegenden Brunnsteinersee ein. Hier treffe ich die ersten Wanderer. Tja abseits ausgelutschter Pfade ist es schön einsam. Nach dem obligaten Reflektionsfoto spaziere ich retour zur Bergstation, wo dann die heutige Tour bei einem gut gezapften Bierchen ihren Abschluss findet.
Fazit: Genial war's heute. Das Wetter und Lärchenverfärbung hätte nicht besser sein können. Vermutlich gehören solche Touren leider bald der Vergangenheit an. Muss auch mehr kraxeln. Vielleicht mal die Warscheneck Ostwand oder Ostgrat inspizieren.
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